Werke für Sinfonisches Blasorchester – Kommentare vom Komponisten


Imperial Prelude

Meine erste Komposition für Sinfonisches Blasorchester »Imperial Prelude« entstand noch während meiner Studienzeit im Jahre 1989. Zu dieser Zeit spielte ich Klarinette in einem deutschen Heeresmusikkorps und kam in Kontakt mit der Besetzung "Sinfonisches Blasorchester" und der dort gespielten Literatur. Der Wunsch nach einem Werk vom "Komponisten Rolf Rudin" wurde dort geäußert, und so schrieb ich das Stück, ganz aus meinen damaligen Eindrücken vom Medium "Blasorchester" heraus. Uraufgeführt aber wurde das Stück letztendlich vom Landesblasorchester Baden-Württemberg unter der Leitung von Harry D. Bath, womit der Initialpunkt für meine Affinität zu dieser Gattung und dem bis heute ständig wachsenden Werkekatalog gesetzt wurde.   

Das »Imperial Prelude« ist - denke ich - eine aufregende und klangfarbenreiche Partitur, die jeden Musiker und ebenso das Publikum zum Interpretieren und Zuhören herausfordert. Das energetisch reiche Stück mit seinen originellen harmonischen Fortschreitungen, seinen dissonanten Kulminationen und einer expressiven, großen weiträumigen Melodielinie drängt in einer dramatisch, aber dennoch ökonomisch-überschaubar gestalteten Architektur zu einem fulminanten Schluß.


Bacchanale

War die Titelwahl meiner ersten Komposition für Sinfonisches Blasorchester - »Imperial Prelude« -  erst nach Fertigstellung der Partitur ein schwieriges Unterfangen, so drängte sich mir bei meinem zweiten Werk für dieses Genre der Titel »Bacchanale« schon während der Entstehung der Partitur geradezu auf.

Meinte man mit dem griechisch-lateinischen Begriff „Bacchanal” ursprünglich ein altrömisches Fest zu Ehren des griechisch-römischen Weingottes Bacchus, so wurde späterhin damit verallgemeinernd ein ausgelassenes Trinkgelage benannt. Davon ausgehend läßt sich die Bedeutung „bacchantisch” mit ausgelassen, trunken oder überschäumend erklären. Und genau in diese Atmosphäre katapultiert die Musik Spieler und Zuhörer mit ihrem initialartigen Beginn.

Nur selten kommt der Hörer zur Ruhe, wird er doch von den sich immer höher auftürmenden Klangrückungen des ersten Teils gebannt, oder er wird ständig von den virtuosen Passagen und rhythmischen Strukturen sowie den mitunter abrupten Klangfarbenwechseln des Mittelteils in Atem gehalten. Lediglich zwei kammermusikalisch äußerst subtile Einschübe erlauben ein kurzes Innehalten, bevor das Stück in intensiver ostinater Steigerung zum repetitiven und harmonisch verdichteten Höhepunkt gelangt. Ein breit angelegtes hymnisches Singen im dritten Abschnitt der Komposition soll den „aufgedrehten” Zuhörer emotional „versöhnen” und zur inneren Ruhe führen.

Formal gliedert sich das Stück schon beim ersten Hören nachvollziehbar in diese drei großen Teile. Die Dirigenten der ersten Aufführungen haben den Anfangsteil gerne als das Herannahen oder glänzenden Empfang zu einer bedeutenden Festivität, den schnellen Mittelteil als spritziges, eben ausgelassenes, und durchaus auch „wildes” Gelage bis hin zu einem „orgiastischen Überschlagen” und den Schlußabschnitt als das Erleben des nächsten Tages aus ferner Morgendämmerung emporsteigend charakterisiert.

Für mich selbst waren allerdings beim Komponieren diese Vorstellungen nicht ganz so plakativ, interessierte mich doch mehr die Gestaltung eines musikalischen Ablaufs als ein striktes Entwickeln zu einem großen und eigentlich mit den diesem Stück immanenten musikalischen Mitteln nicht mehr zu steigernden Höhepunkt. Große Klangfarbenvielfalt des Sinfonischen Blasorchesters und harmonisches Leuchten in bitonaler Architektur münden in ein zwölftöniges Total, dem am Ende mit der Wahl einer Dur/moll-tonalen Harmonik ein schlüssiger Kontrast entgegengestellt wird.

 

Cantus Arborum (Gesang der Bäume)

Text für Vorankündigung

Die Komposition "Cantus Arborum" (Gesang der Bäume) versucht, den Gesang der Bäume nachzuempfinden, einen Gesang, den die Menschen früher vielleicht hörten, denn sie verstanden die Sprache der Natur. Auch heute noch singt der Wald - wir hören ihn nur nicht mehr! In breit angelegten Spannungsbögen entfaltet sich ein etwa halb-stündiges Werk, das - für sehr große Besetzung komponiert - in viele musikalische Extrembereiche vorstößt.

Werkkommentar

Der Werktitel »Cantus Arborum« vereinigt zwei Dinge, die in meinem Leben eine wichtige Rolle spielen: auf der einen Seite den Gesang als die wohl expressivste Möglichkeit einer emotionalen Äußerung und auf der anderen Seite die Bäume, eine der großen Sinnbilder des Lebens, die zu allen Zeiten und in allen Kulturräumen unserer Erde bewundert, geehrt und verehrt worden sind. Bäume sind Sinnbilder, die sich mit Erinnerung verbinden, Symbole der Vergänglichkeit und der Wiedergeburt, aber auch allen Wachstums und triebhaften und naturhaften Lebens.

Es hat den Anschein    oder ist es schon Realität?  – , daß das Sinnbild Baum in der Mythologie    und vielleicht diese sogar selbst    in unserer heutigen, von ganz ande-ren Faktoren bestimmten Welt ihre Bedeutung für das Leben der Menschen verloren hat.

Die Komposition versucht, den Gesang der Bäume nachzuempfinden, ihre Stimmen hörbar zu machen. In breit angelegten Spannungsbögen entfaltet sich ein gut halb-stündiges Werk, das    für sehr große Besetzung komponiert    in viele musikalische Extrembereiche vorstößt. Rein äußerlich in einem Satz komponiert, weist »Cantus Arborum« aber eine formale Gliederung in verschiedene Abschnitte auf, deren Überschriften im Programm aufgeführt sind.

Als Einstimmung    vor dem Erklingen des ersten Tones    seien abschließend einige Bruchstücke aus Hermann Hesses Betrachtung »Bäume« (aus »Wanderung«) zitiert:


Bäume
sind für mich immer
die eindringlichsten Prediger gewesen. ...
In ihren Wipfeln rauscht die Welt, ihre Wurzeln ruhen im
Unendlichen; ...
Nichts ist heiliger, nichts ist vorbildlicher als ein schöner,
starker Baum. ...
Bäume sind Heiligtümer.
Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt
die Wahrheit.
Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen ... das
Urgesetz des Lebens.
Ein Baum spricht: ... ich bin Leben vom ewigen Leben. ...
Bäume haben lange Gedanken, langatmige und ruhige, wie sie ein

längeres Leben haben als wir. ...
Wer gelernt hat,
Bäumen
zu-
zu-
hö-
ren,
...



Der Traum des Oenghus

Poem von der „Grünen Insel”

Das musikalische Poem »Der Traum des Oenghus« bezieht sich auf die gleichnamige irische Sage, die in der im Eugen Diederichs Verlag von Frederik Hetmann herausgegebenen Sammlung „Irischer Zaubergarten - Märchen, Sagen und Geschichten von der Grünen Insel“ nachzulesen ist.  In dieser Sage erscheint dem Königsohn Oenghus nachts im Schlaf ein flötenspielendes Mädchen, in das er sich verliebt. Da dieses aber immer wieder verschwindet, bleibt es zunächst für ihn unerreichbar, so dass er lange nach ihm suchen läßt, bis er schließlich zu ihm findet. Das Stück ist aber keine musikalische Nacherzählung dieser Sage, vielmehr lädt es in gewisser Weise zur Lektüre derselben ein, findet man doch immer nur einzelne Phasen und Atmosphären der Sage als außermusikalische Imaginationsquellen.

Die Komposition ist als große zweiteilige Form konzipiert. Der erste Teil entstand als Auftragswerk der Bundesvereinigung Deutscher Blas- und Volksmusikverbände 1993/94 und wurde als Oberstufen-Pflichtstück für die Wertungsspiele des 2. Deutschen Bundesmusikfestes 1995 in Münster/Westfalen nominiert.

Die Musik dieses ersten Teils setzt weitgehend die zu Beginn der Sage stehende Traumvision in Klanglichkeit um. Gerade die Atmosphäre des Traumhaften und auch des Unerreichbaren war Anregung zur Komposition einer zart dunklen Traumwelt: Geräuschklänge am Anfang, ein glockenartiges Motiv und eine pendelnde, in sich schwebende Klangfläche verleihen dem Stück seinen nächtlich-geheimnisvollen Charakter. Daran anschließend entsteht durch eine mehrmalige Wiederholung eines misteriösen Gesanges in sich immer steigernder Instrumentation und Dynamik ein großer, scheinbar nicht abbrechender Bogen, der wie in einer traumhaften Vorahnung die räumliche und vor allem zeitliche Länge der Suche nach dem Mädchen zu symbolisieren vermag.

Ohne die Sage nach über zwei Jahren nochmals zu lesen entstand 1996 für das Landesblasorchester Baden-Württemberg der umfangreichere zweite Teil des musikalischen Poems. Er beleuchtet mehr die „realeren” Seiten der Sage. Schon gleich zu Beginn assoziiert dieser zweite Teil der Komposition in seiner Wildheit die „Irrungen und Wirrungen” des Königsohnes Oenghus auf seiner Suche, die ja im ersten Teil nur traumvisionär und damit ideell verklärt dargestellt wurde. Auch die nur ganz am Ende des ersten Teils angedeutete Wichtigkeit der Flöte erhält nun musikalischen Raum zur Entfaltung: Eine große Kantilene von schillernder Expressivität schwebt über einem harmo-nischen Teppich, der an die Traumvisionen der nächtlichen Ruhe des ersten Teils anknüpft. Eine ostinat-rhythmische Steigerung in marschähnlichem Duktus gipfelt im Aufgreifen des „misteriösen Gesanges” aus dem ersten Teil und führt so ganz deutlich zu einer formalen Geschlossenheit des Gesamtwerks. Die apotheotische Stimmung der abschließenden Coda taucht das erlösende B-Dur in die traumvisionären Geräuschkläge des Beginns und entläßt den Hörer in friedlicher, „sagenumwobener” Atmosphäre.

 

Die Druiden

eine mythische Erinnerung

»Die Druiden« - Wer denkt da nicht an die phantastische Comic-Reihe „Asterix” und an den alten mit weißem Barthaar geschmückten und ständig mit der goldenen Sichel Misteln schneidenden und Zaubertrank brauenden Druiden Miraculix? - Doch zeigt gerade die Forschung der letzten Jahre, daß dieses ohne Zweifel phantasievoll idealisierte Bild in seiner Einseitigkeit nicht ganz so ernst zu nehmen ist. Die Druiden der vorchristlichen Zeit Westeuropas bewahrten als Magier, Seher, Philosophen, Sänger und Dichter, als Mittler zwischen Götterwelt und Menschen über lange Zeit ihren nahezu unbegrenzten Machtanspruch. In diese weitreichend unbekannte und von Nebeln verschleierte Welt des Druidentums soll der Hörer mit diesem Stück hineinversetzt werden. Wie der Untertitel andeutet, hat das Stück einen mythischen Anspruch, das heißt, es geht um eine Begegnung mit legendär gewordenen Gestalten oder Begebenheiten, denen man große Verehrung entgegenbringt. Der Hörer braucht innere Ruhe für das Stück - ebenso wie man Ruhe braucht für ein intensives Erinnern.

Mit großen Bögen, lang gehaltenen Klängen und sich langsam entwickelnden Klangflächen durchaus dissonanten Charakters führt uns das Stück eine Szenerie vor das geistige Auge: Nemeton, die geheiligte Waldlichtung, Ort der kultischen Rituale der Druiden. Nach eher statischem Beginn hebt sich - eingerahmt von naturalistischen Vogellauten - eine fast im ganzen Orchester unisono geführte Melodie wie ein magischer Gesang beschwörend hervor. Der hymnische Abschluß symbolisiert wohl etwas von der Macht und dem Herrschaftseinfluß der Druiden.

 

Firmament

Die unbeschreibliche Weite und der atemberaubende Eindruck beim Erblicken des Firmaments sind die Inspirationsquelle für diese Komposition. Sie ist fünfteilig aufgebaut (A B C B A) und versucht, mit vielen musikalischen Elementen einen „firmamentartigen“ Bogen zu spannen. Nach einem großen komponierten Auftakt strahlt der erste Teil (A) in hymnischem Glanz. Der bewegte zweite Teil (B) ist vorwiegend rhythmisch geprägt, während der ruhigere Mittelteil (C) auf einer großen melodischen Linie basiert. Die anschließende Wiederholung der Teile A und B in umgekehrter Reihenfolge runden den weiten Bogen ab.

 

Sternenmoor

ein Aufbruch

„Es gibt in Irland einen Sumpf mit dem Namen “Mona-Reulta“. Dieser gälische Name bedeutet “Moor der Sterne” oder “Sternenmoor”. Diesre Sumpf ist voll vieler kleiner Teiche und Wasserlöcher, und die spiegeln in klaren Nächten die Sterne höchst wundersam wieder.”

Diese zauberhafte Naturbetrachtung findet sich in der irischen Erzählung „Das Sternenmoor” von Standish James O'Grady. In dieser Erzählung bewahrt ein einfacher Trommler eines zu Eroberung und Vernichtung aufbrechenden Kriegsheeres die Bewohner einer Stadt vor einem Angriff durch sein plötzliches, warnendes Trommeln während des Heranschleichens an die Stadt. Der Trommler wird für seine „verräterische” Tat zum Tode verurteilt und in eben jenem Moor ertränkt.

So ist denn auch mein gewählter Untertitel »ein Aufbruch« zu verstehen: Ein unbedeutender Trommler, dessen Aufgabe eigentlich nur darin zu bestehen hat, den Takt der marschierenden Krieger anzugeben - ein „Mitläufer” also - entscheidet sich, sein Leben für das anderer Menschen zu opfern. Für meine Begriffe in der Tat ein Aufbruch - selbstlos weg vom Bequemen und Angenehmen!

Die Komposition »Sternenmoor« hat acht Sätze, die nahtlos ineinander übergehen: Der erste Satz Moordämmerung läßt ganz in der Ferne vernebelt ein marschierendes Kriegsheer erahnen. Lombardisch punktierte Rhythmen und der repetierende Einsatz der Kleinen Trommel sollen hier ein Äquivalent des Militärischen assoziieren lassen. Melodische Zellen sind auf das ganze Orchester so verteilt, daß sich aus deren Addition Klangflächen ergeben. Das monotone und immer wieder unterbrochene dumpfe Schlagen der Großen Trommel, das diesen Satz einrahmt, suggeriert einen stark gebrochenen, trauermarschähnlichen Duktus, der jegliche kriegerische Aktion schon  zu Beginn hinterfragen will. Der zweite Satz Spiegelstern I verharrt ganz in der Betrachtung und Vorstellung des oben zitierten Naturbildes. Eine oft wiederholte, aus melodischen „Tonpunkten” bestehende Linie in hoher Lage zieht über eine fast bewegungslose Akkordlandschaft, die nur kurz von einer kleinen kantablen Phrase unterbrochen wird. Der dritte Satz Morgenstern könnte eigentlich als ein sehr überdrehter „Geschwindmarsch” gedeutet werden, der sich immer mehr von einem spielerischen, leggierohaften Beginn hin zu einer grellen Übersteigerung und Erstarrung entwickelt. Die ambivalente Bedeutung des Satztitels, nämlich die des noch während des Tagesbeginns am Firmament zu erkennenden Sternes und gleichzeitig die Bezeichnung einer mörderischen mittelalterlichen Schlagwaffe mag hier nur am Rande erwähnt sein. Unvermittelt, nachdem der dritte Satz eigentlich nicht mehr zu steigern war, reißt dieser ab und man findet sich im vierten Satz Dämmerdunkel in einer musikalischen Architektur, die einen kontemplativen, ostinaten Charakter aufweist. Dann - plötzlich hereinbrechend - überraschen die warnenden Trommelschläge zusammen mit dem repetierenden und stark dissonanten Blech. Dies entfacht einen wilden, polternden Aufruhr. Das große Fagottsolo im fünften Satz Moorspiegel bremst die dramatische Entwicklung sehr abrupt und gibt noch einmal Raum und Zeit für einem inneren Monolog des zum Tode Verurteilten. Nachdem der sechste Satz Spiegelstern II verkürzt zur Atmosphäre des zweiten Satzes zurückkehrt, imaginiert der siebte Satz Mondversunken das Sterben des Trommlers und läßt musikalische Gestalten aus Alban Bergs Oper „Wozzeck” anklingen, wo dieser das Ertrinken eines Menschen in nahezu naturalistischer und doch sehr sublimer Manier zu komponieren verstanden hat. Im Schlußsatz Sternendämmerung erklingt ein apotheotisch-choralhafter Gesang. Nach einer ruhigen hymnischen Steigerung endet das Werk in hoffnungsvoller Vision mit einem E-Dur Akkord.

 

»Wi(e)derhall«

Bruchstücke

»Wi(e)derhall« ist der Titel eines 13teiligen Werkzyklus, der sich quasi aus Bruchstücken zusammensetzt, in denen sehr konzentriert und oft monochrom - also einfarbig - musikalisches Material verarbeitet wird. So gibt es Teile, die zum Beispiel „nur” aus wenigen immer wiederkehrenden Akkorden bestehen, andere erhalten ihre Gestaltung in der ausschließlichen Verwendung einer Zwölftonreihe oder einer ausgewählten rhythmischen Bewegungsart. Auf diese Art und Weise findet man ganz charakteristische Stücke, die sich kompositorisch von dem oft anzutreffenden klanglich und strukturell vielfarbigen Allerlei unterscheiden.

Das Gesamtkonzept dieses Werkzyklus möchte die in unserem Jahrhundert entwickelte Idee der „Offenen Form” auf großformaler Ebene umsetzen. So sind nämlich sowohl die Anzahl als auch die Reihenfolge der einzelnen Teile bei jeder Aufführung variabel zusammenstellbar. Aufführungen von nur einem Satz bis hin zum Gesamtwerk ergeben einen Sinn, der sich immer wieder von Aufführung zu Aufführung verwandeln kann. Der diese verschiedenen Abfolgen auswählende Dirigent kann dadurch in einem gewissen Rahmen die Wirkung der Komposition auf sein Publikum „kalkulieren”. Um nun aber dieser Variabilität eine gewisse Stabilität zu verleihen, sind die einzelnen Teile neben ihrer weitgehend sehr strengen Strukturierung auch noch untereinander in verschiedenste Beziehungen gesetzt.

Die in der Orthographie deutlich gemachte Ambivalenz der Benennung »Wi(e)derhall« verweist auf die Verwendung von musikalischem Material, das bei Ausarbeitung anderer Werke nicht berücksichtigt wurde und lediglich in skizzierter Form existiert. Aber nicht nur im wörtlichen oder mehr oder weniger variierten „Wiederhallen” dieses Materials liegt nun die Bedeutung des Werktitels, sondern auch aus der gerade andersartigen bis hin zur konträren Ausformung der ausgewählten Ideen und Gestalten entstand für mich ein spannungsreicher Kontrast. Es sollte ein gewissermaßen „Dagegenklingen” komponiert werden.

Kommentare zu den einzelnen Sätzen

Ein Atem  In zeitloser Ruhe  (O–H)

Über einem Blechbläserakkord, der wie ein „Orgelklang” ganz im Hintergrund stehen soll, setzen die Holzbläser nacheinander einzelne dynamisch an- und abschwellende Töne in den vorhandenen Klangraum. Es entsteht ein metrumloses kontemplatives Klangbild, das das Atmen eines lebendigen Organismus imaginieren könnte.

Ein Lauschen  In gespannter Ruhe  (O–H)

Ein ostinates „Pendelmotiv” im Schlagzeug und Klavier erzeugt über einem Holzbläserakkord, der wie ein „Orgelklang” ganz im Hintergrund stehen soll, eine meditative Atmosphäre, in der jeweils nur einzelne Töne der Blechbläser in immer wechselnder Spielweise „erlauscht” werden sollen.

Ein Tönen  Ruhig pochend  (O)

Ein unablässig pochender Orgelpunkt, über dem sich zwei verschiedene zwölftönige Akkorde in immer gleichem Rhythmus repetierend und alternierend auftürmen, durchzieht gleichsam als Rückgrat das Stück.

Ein Wehen  Sehr bewegt  (H)

Huschende und vorüberwehende Linien in immer gleichem Rhythmus ergeben ein kaum erfaßbares Klangereignis, das ohne Akkordbildungen auskommt und lediglich durch kontrastierende dynamische Wechsel eine hörbare Struktur erkennen läßt.

Ein Hymnus  Sehr getragen und intensiv  (O)

Ein großer Spannungsbogen, dessen vierstimmige homophone Ausprägung aus - im Wesentlichen - nur drei verschiedenen Akkorden besteht, zieht ohne große rhythmische Variabilität am Hörer vorüber und hinterläßt den Eindruck einer großarchitekturalen Spiritualität.

Eine Deklamation  Ruhig singend  (O–H)

Eine sehr expressive in deklamatorisch freier Rhythmik durchgehend von den Klarinetten vorgetragene Melodie „singt” im Wesentlichen unbegleitet bis zu einem abrupten Ende.

Ein Leuchten  In strahlender Ruhe  (O–H)

Lang gehaltene statische Klänge und Klangadditionen entwickeln in einer „Dur-Atmosphäre” eine in sich leuchtende Klangpracht. Die melodischen Bewegungen sind auf Akkordbrechungen von übermäßigen, verminderten und Dur-Dreiklängen reduziert.

Eine Betrachtung  Ruhig tupfend  (O–H)

In gleichförmigem Achtelrhythmus dahinziehenden Dreiklängen und einer melodischen Bewegung, die ausschließlich auf Halbtöne reduziert ist, entsteht in einer „Moll-Atmosphäre” eine konzentriert besinnliche Stimmung.

Ein Beharren  Mit eindringlicher und nie nachlassender Intensität  (H)

Immer gleiche Dreiklangsbrechungen und Repetitionen in durchgehender Achtelbewegung ohne nennenswerte melodisch-lineare Strukturen erzeugen eine „beharrende” Starrheit, die in ihrer Eindringlichkeit eine fesselnde Spannung hervorruft. Diese Wirkung wird noch verstärkt durch eine tonale Klarheit, die aus harmonischen Wechseln ausschließlich auf den Taktschwerpunkten resultiert.

Ein Kreisen  Ruhig fließend  (H)

Eine Zwölftonreihe, die motivisch verwendet wird und Tonalität verschleiert, ergibt ein ständig fließendes Kreisen ohne metrische Schwerpunktsetzung durch ihre horizontale (melodische) und vertikale (harmonische) Präsenz. Der dynamisch sehr extrovertierte Mittelteil steht in starkem Kontrast zu den eher zarten und introvertierten Außenteilen.

Ein Aufriß - Ein Bedrängen - Ein Abriß  Sehr bewegt und mit großer Wucht  (H)

Diese drei Sätze stehen in ganz enger - hörbarer - variativer Verwandschaft zueinander. So sind im Satz »Ein Aufriß« - quasi dem „Thema” - Mollakkorde in gebrochener oder blockhafter Auftragung (Mixturen) wahrnehmbar. Trotz schnittartiger Strukturänderungen sollen Zusammenhänge entstehen. Der Satz »Ein Bedrängen« ist beherrscht von der ausschließlichen Präsenz eines in sich accelerierenden Rhythmus, der in den formalen Ablauf von »Ein Aufriß« eingebettet worden ist. Auch dem Satz »Ein Abriß« liegt der gleiche formale Ablauf wie den beiden anderen Sätzen zugrunde, aber mit der entgegengesetzten Verwendung der Strukturen. Ganz dem „programmatischen” Satztitel verpflichtet, werden hier nun Zusammenhänge gestört oder sogar oftmals gänzlich abgebrochen. Alle drei Sätze haben bedingt durch Harmonik, Dynamik und struktureller Instrumentation eine aggressive Dramatik.

 

Versunkene Stadt

ein Wellenspiel

Seltsam sind oft die Geschehnisse, die sich in fernen Zeiten zutrugen und mitunter ganze Landschaften veränderten. So erzählt eine Kärntner Sage vom Verschwinden einer Stadt, die binnen einer Nacht mit all ihren Bewohnern in den Wasserfluten aus einem wundersamen Fäßlein versunken ist, und am darauffolgenden Morgen bedeckte dort ein großer See Wald und Flur. „Wenn man bei spiegelklarem Himmel über den See fährt, soll man noch heutigen Tages zuweilen aus der Tiefe läuten hören. Die Leute sagen, das komme vom Anschlagen der Wellen an die Glocken, die noch in den Türmen der versunkenen Stadt hängen sollen.“

Durchgehende Sechzehntelbewegungen in den Holzbläsern „tragen“ das gesamte Stück in immer gleichem Fluß - unbeirrbar und unbeeinflußbar - gleichsam als klangliche Metapher für die fließende Erscheinungsform des Lebensstoffes „Wasser“. Unerbittlich ist der Fluß des Stückes in immer sich verändernden Wellenausschlägen. Diese kaum veränderbare und beeinflußbare „Objektivität“ rückt das Stück in eine Distanz, die dem Betrachten eines Bildes vergleichbar ist. Und so entsteht ein besonderer Reiz zwischen dem Sog der musikalischen Linien, die von einem immer gleichen Bewegungsimpuls getragen werden, und einer Emotionalität, die Verzauberung zuläßt, aber nie ins Maßlose abgleiten kann.

Der Text, der dem Chor zugrunde liegt, leitet sich allein aus Silben- und Buchstabenkombinationen des Titels »Versunkene Stadt« her. Dabei kam gleichsam eine „versunkene Sprache“ zutage, die niemand mehr versteht. Man vernimmt einen Sprachduktus, der durch oftmalige Wiederholungen an eine rituelle Semantik erinnert. Erst gegen Ende des Stückes kann man eine erste Annäherung einer Entschlüsselung erahnen: Auf den gesamten Chor verteilt läßt sich bei genauem Hinhören quasi der phonetische Umriß des Titels »Versunkene Stadt« vernehmen. Genau an dieser Stelle „lauschen“ Chor und Orchester - und natürlich auch das Auditorium - auf das glockenschlagende Wellenspiel in den Türmen der versunkenen Stadt.

 

Ein Wellenspiel

Die vorliegende Fassung dieses Werkes mit dem Titel »Ein Wellenspiel« stimmt im musikalischen Ablauf vollkommen mit »Versunkene Stadt« überein. Die Übertragung der Chorstimmen in den Orchestersatz erfolgte lückenlos, so daß auch strukturell keine Unterschiede bestehen. Die Abänderung des Werktitels – indem der ursprüngliche Untertitel zum Haupttitel avanciert – resultiert lediglich aus der ganz eng verzahnten Verbindung des Titels »Versunkene Stadt« mit der für den Chor komponierten Textschicht. Da diese gesungene Ebene nun entfallen ist, macht auch der Titel nur noch bedingten Sinn. Die musikalischen Elemente, auf die im ursprünglichen Untertitel Bezug genommen wurde, erlangen in der Fassung ohne Chor stärkere Dominanz, was sich im nun „neuen” Haupttitel »Ein Wellenspiel« ablesen läßt, ohne die direkte Verbindung zum Ausgangspunkt  zu verschleiern.

Seltsam sind oft die Geschehnisse, die sich in fernen Zeiten zutrugen und mitunter ganze Landschaften veränderten. So erzählt eine Kärntner Sage vom Verschwinden einer Stadt, die binnen einer Nacht mit all ihren Bewohnern in den Wasserfluten aus einem wundersamen Fäßlein versunken ist, und am darauffolgenden Morgen bedeckte dort ein großer See Wald und Flur. „Wenn man bei spiegelklarem Himmel über den See fährt, soll man noch heutigen Tages zuweilen aus der Tiefe läuten hören. Die Leute sagen, das komme vom Anschlagen der Wellen an die Glocken, die noch in den Türmen der versunkenen Stadt hängen sollen.“

Durchgehende Sechzehntelbewegungen in den Holzbläsern „tragen“ das gesamte Stück in immer gleichem Fluß ­– unbeirrbar und unbeeinflußbar – gleichsam als klangliche Metapher für die fließende Erscheinungsform des Lebensstoffes „Wasser“. Unerbittlich ist der Fluß des Stückes in immer sich verändernden Wellenausschlägen. Diese kaum veränderbare und beeinflußbare „Objektivität“ rückt das Stück in eine Distanz, die dem Betrachten eines Bildes vergleichbar ist. Und so entsteht ein besonderer Reiz zwischen dem Sog der musikalischen Linien, die von einem immer gleichen Bewegungsimpuls getragen werden, und einer Emotionalität, die Verzauberung zuläßt, aber nie ins Maßlose abgleiten kann.

Der Text, der dem Chor zugrunde liegt, leitet sich allein aus Silben- und Buchstabenkombinationen des Titels »Versunkene Stadt« her. Dabei kam gleichsam eine „versunkene Sprache“ zutage, die niemand mehr versteht. Man vernimmt einen Sprachduktus, der durch oftmalige Wiederholungen an eine rituelle Semantik erinnert. Erst gegen Ende des Stückes kann man eine erste Annäherung einer Entschlüsselung erahnen: Auf den gesamten Chor verteilt läßt sich bei genauem Hinhören quasi der phonetische Umriß des Titels »Versunkene Stadt« vernehmen. Genau an dieser Stelle „lauschen“ Chor und Orchester – und natürlich auch das Auditorium – auf das glockenschlagende Wellenspiel in den Türmen der versunkenen Stadt.

Aufführungshinweise

Bezogen auf das Tempo soll ein immer durchgehender „Zug“ zu verspüren sein. Am Anfang kann es eher ruhiger beginnen, die untere Grenze der Metronomangabe auslotend, gleichsam das Suchen des Chores nach Zusammenhang unterstützend. Später soll das Tempo dann etwas anziehen, ganz im Mitgehen des großen melodischen Bogens.

 

Das Verströmen der Seele

eine Totenklage

Die Komposition »Das Verströmen der Seele« ist entstanden als Auftragswerk des Landes Rheinland-Pfalz für die Eifeler Musiktage 1997. Der Untertitel »Eine Totenklage« weist auf den dunklen Charakter und die ernste Grundhaltung des Werkes hin. Neue gedankliche Dimensionen sollen dem Sinfonischen Blasorchester erschlossen werden. So besingt die Komposition das Mysterium der Unsterblichkeit. Ausgehend von einer alten original keltischen Melodie, die in fernen Zeiten im Freien an den Grabstätten geliebter Toten gesungen wurde, und die am Ende des Stückes den Hörer in eine mythische Einsamkeit entführt, entfaltet sich aus diesem Grundmaterial ein langer spiritueller Bogen. Das unaufhörliche Strömen des Klanges mag als Pendant zum Verströmen oder Aushauchen der Seele gedeutet werden.

Folgende Zeilen einer alten keltischen Totenklage, die auch in der Partitutr vermerkt sind, vermitteln den atmosphärischen Ausgangspunkt einer spirituellen Ruhe und Besinnung.


Ach, wie trostlos ist diese Nacht

nach dem Verlust der Vielgeliebten.

Sie wurden getötet, das ist mein Elend.

Ach, wie düster ist diese Nacht.

Bis zur Früh´ will ich wachen und weinen.

 

Lied ohne Worte

Das “Lied ohne Worte” hat Rolf Rudin 1997 als Zugabe eines von ihm selbst dirigierten Konzerts mit eigenen Werken anläßlich der Eifeler Musiktage komponiert. Er selbst bezeichnet  dieses Stück als “melodische” Etüde oder “Klangstudie für das Espressivo-Spiel”. Es soll ein kleines Stück in “romantischem Klanggewand” sein.

Dass dieses Werk weit über „Studier“-Musik hinausweist, liegt vor allem an Rudins Fähigkeit, auch kleinen Werken eine kompositorische Entwicklung und Verdichtung zu geben, der eine ungeheure Spannung innewohnt.


Bleicher Mond

ein Nachtbild

Einige Anmerkungen . . .

Die Komposition »Bleicher Mond« läßt ein nächtliches Bild voller empfindsamer Poesie assoziieren – und das für ein Blasorchester! Eine stille, wenig spektakuläre Klangwelt öffnet sich demjenigen, der sich öffnen will.

Zeitgenössische Klangtechniken wie Clusterbildungen, heterophone Klangflächen, differenziert gestaltete Klangausblendungen oder der Einsatz des geflüsterten Wortes sowie das tonlose Hineinblasen in das Instrument – quasi eine instrumentale Metapher für das menschliche Atmen – erweitern das ansonsten „scheinbar” eher traditionelle Klangbild. Denn auch dieses entwickelt doch durch seine Brüchig- und Sperrigkeiten ein Äquivalent unserer amorphen Zeit, ganz im Sinne einer künstlerischen Reflexion.

Bei der Entwicklung des Werkes war eine ganz „sparsame” Musik intendiert, die mit wenigen Mitteln aus einem sehr konzentrierten Material gearbeitet ist. „Stille Musik” kann heutzutage ein Weg zum „Hören-Lernen” sein. Zuhörer und/oder Ausführende können möglicherweise Ungewohntes erfahren, wie zum Beispiel:

das Warten lernen

 die Stille hören

 den Klang suchen

 in den Ton hineinhören

 sich von einem Ton umgeben finden

 dem Ton nachsinnen

 .  .  .  .  .

 

Verlausskizze der Komposition

In nachdenklicher Atmosphäre, so die Aufführungsanweisung am Anfang, beginnt die Musik wie aus dem Nichts    mit einigen wenigen zarten Klängen im Schlagzeug    eine in verschiedenen rhythmischen Figurationen und einer melodischen Umkreisung wahrnehmbare Auftragung eines einzelnen Tones schließt sich an    dann wieder: die Schlagzeugklänge    und der einzeln auftretende, nun aber in differenzierter Variabilität eingefärbte Ton    und wieder das Schlagzeug      nun endlich der zweimalige Versuch eines Fortkommens, der aber erstarrt    wieder das Schlagzeug und die „Einzelton-Struktur”      dann endlich ein „nachvollziehbar” melodischer Zusammenhang: wie eine Zeile aus einem Choral, die sich aber sogleich in einen breit dahinziehenden kanonischen Klangstrom, der von der „Einzelton-Struktur” begrenzt wird, ergießt    und wieder: der Schlagzeugbeginn      der „Choral”, das gesanglich-melodische Element, bekommt nun eine ausgeformtere Gestalt und einen größeren Raum, fast immer „getragen” von dem aus melodischen Umkreisungen sich ausformenden Klangstrom: Zusammenhang wird erkennbar    bis zu einem großen Höhenpunkt, mit großem und weichen Klang ist hier als Hinweis der Partitur mitgegeben    danach zieht sich das melodische Geschehen wieder in einen sehr begrenzten Klangraum zusammen        ein Misterioso molto-Teil mit orgelklangartigem Innehalten des Klarinettenregisters schließt sich an als Konsequenz des vorherigen Zusammenziehens, über einem atmosphärischen Rauschen des Schlagzeugs flüstern die Instrumentalisten folgende Zeilen: Der bleiche Mond, ach, dort zwischen kahlen Bäumen, im Winterschlafe. Ein harmonisches „Abgleiten“ in den Posaunen und das Erlauschen der verklingenden Metal-Chimes evozieren einen Stillstand, gleichsam ein Aufhören von „Musik”        nach langer Generalpause nun das Bild des Winterschlafs: „Die Stille klingt” und „Es atmet die Nacht”, so die Anweisungen in der Partitur für eine Musik aus den Schlagzeugklängen und den melodischen Umkreisungen des Anfangs, aus tonlos geblasenen, tiefen Blechbläsertönen und aus immer wieder vernehmbaren, leisen und einsamen Rufen in der Nacht in den Holzbläsern      in diese Stille platzt etwas vollkommen Unvorhersehbares hinein, nämlich in eindringlicher Intensität gespielte signalartige Strukturen im ganzen Orchester, die einzige wirklich laute und aggressive Passage des Stücks    danach: eine kurze verdichtete Reminiszens an die Klangstrukturen und Atmosphären des Anfangs, und über einem sich ausblendenden Mollakkord mit „rufender” Piccoloflöte und einem verklingenden Schlagzeug entschwindet die Musik mit größter Zartheit.     

 

Vom Ende der Zeit

eine Vorahnung

Die Komposition reflektiert meine persönliche Beschäftigung mit religiösem und spirituellem Gedankengut, mit geistlicher Thematik. Sie ist eine Reflexion meiner Auseinandersetzung mit einem apokalyptischen Szenario, mit den sich uns allen aufdrängenden Fragen: Was passiert mit uns am Ende unseres eigenen persönlichen Lebens? – Was passiert am Ende des Lebens der gesamten Menschheit?? – Und dann vor allem: Was passiert nach alledem??? – – Wie wird es sein???? – – – Das sind Fragen, die uns alle ausnahmslos, die einen und die anderen einmal mehr oder weniger beschäftigen oder sogar beunruhigen. Haben die Religionen eine Antwort? Und: Können wir diese Vorstellungen ohne Zweifel in unser Leben integrieren?

Mein Stück gibt auf all diese Fragen und Überlegungen keine konkrete Antwort! All das sind doch derart persönliche Dinge, denen man nur schwerlich verbalen Ausdruck verleihen kann – und schon gar nicht in einem solchen Rahmen eines kurzen Werkkommmentars! Das ist doch eigentlich auch der Grund, der Impetus für ein Formulieren einer künstlerischen Aussage; das ist doch eigentlich das Initial zum Komponieren eines musikalischen Werkes.

Die Musik von »Vom Ende der Zeit« und das in dieser eigentümlich sphärisch-flüchtigen Sprache Gesagte soll verstanden werden als eine Annäherung, eine Allusion, eben als eine Vorahnung, worauf ja schon mein gewählter Untertitel der Partitur hinweist. Und sollte dieses Visionäre dem Wirklichen nahe kommen, so wäre das ja schon außerordentlich viel!!!

Wichtig zu wissen ist: Es existiert also keine konkrete „Geschichte”, auf der das Werk basiert. Es gibt keinen direkten programmatischen Bezug, zum Beispiel zur „Offenbarung des Johannes” aus dem Neuen Testament. Natürlich „male” ich auch nicht mit musikalischen Mitteln eine Höllenfahrt oder wage, ein Bild des Lebens im Paradies zu beschreiben. So wird in der Apokalypse des Johannes im Neuen Testament mit ungeheuerem Bilderreichtum ein nach wie vor für uns nur schwerlich zu interpretierendes Szenario vom „Ende der Zeit” entworfen. Man liest die Offenbarung und staunt über die Bilder, die heute noch von Geheimnissen und Rätseln ohnegleichen erfüllt sind. Ein „Vertonen” oder ein „Verkomponieren” dieses Szenarios wäre also doch ein viel zu banales Umgehen mit dieser Thematik und eigentlich auch mit den möglichen Dimensionen von Musik überhaupt.

Aufgerüttelt werden soll der Hörer schon, aber eben nicht platt durch ein Nachzeichnen irgendeines Weltgerichts, das doch immer nur klein und verharmlosend wirken kann! Wer will sich das denn überhaupt vorstellen können? – So ist meine Komposition gewiß auch kein „Ohrenschmaus”, wie es unpassenderweise in einer Pressenachricht nachzulesen war, ja darf es doch auch nicht sein in unserer Zeit, am Ende eines Jahrhunderts mit einer kaum nachvollziehbaren Dramatik an Ereignissen – meistens leider unmenschlich grausamen.

Meine Intention war, ein Stück entstehen zu lassen, einem Werk Gestalt zu geben, das mehrdeutig angelegt ist, das eben nicht eindeutig erklärbar und erklärend gemeint ist, das für die Interpreten und Zuhörer ein freies Assoziieren ermöglicht. Ich wollte einen „Raum” schaffen, der nicht einengt, sondern individuelle Imaginationen erlaubt, ja sogar verlangt!

Beschlossen seien meine Ausführungen mit einem Wort von Friedrich Dürrenmatt, das mich seit einiger Zeit immer begleitet. Es heißt: »Die Beschäftigung mit dem Tod ist die Wurzel unserer Kultur.«

 

»Zwanzig Schritte«

Versuch eines Requiems

 Werkkommentar für das Programmheft zur UA in Uster

Ein geistliches Werk zu schreiben, stellt meines Erachtens in der heutigen Zeit eine immer größer werdende Anforderung an einen Komponisten dar. Hinsichtlich der zunehmenden dramatischen Dichte und Kumulation im 20. Jh. ist der Glauben - und damit verbunden auch der Glaubenszweifel - ein immer stärker umfochtenes und durchaus kontrovers diskutiertes Themenfeld.

Ein geistliches Werk komponieren - also Musik in diesem Konnotationsrahmen schreiben - kann nicht heißen, irgendeinen traditionellen, althergebrachten Text nehmen und ihn vertonen, wie es schon die Meister der vergangenen Jahrhunderte, die ja in gänzlich anderen soziologischen Strukturen gearbeitet haben, taten. Gerade in der heutigen Zeit, dessen Gedankengut vielfach immer noch im 19. Jh. wurzelt,  muß die Beziehung GOTT (Allumfassende Überirdische Macht) und MENSCH  (Irdisches Individuum) immer wieder neu überdacht und stärker in Beziehung gebracht werden.

Für meinen »Versuch eines Requiems« - ich nenne es Versuch, da in der zunehmenden Individualisierung jeder für sich seinen eigenen Lebensentwurf nur als Versuch ansehen kann; ein göttliches Einordnen in eine soziologische Struktur entspricht ja eigentlich nicht mehr unserem Bewußtseinsstand - habe ich eben nur Textausschnitte, Fragmente, ja nur einzelne Worte aus der lateinischen Totenmesse extrahiert und „vertont”. Ausgewählt  habe ich  fast nur Worte, die um ewige Ruhe, um Frieden, um Güte und Gnade bitten. Hoffnung entsteht doch nur in der Vorstellung eines Gottesbildes voller Milde und Barmherzigkeit. Diese Requiempassagen habe ich mit einer ganz realen aber dennoch fiktiven Geschichte konfrontiert: Ein unbekanntes Mädchen mit dem wunderschönen Namen „Mandragora” geht zu einem Brunnen, um Wasser zu holen und wird von einem Tieffliegerangriff oder von einem Scharfschützen „vom Himmel” getötet - eine von Millionen unbekannter Toter aus den unzähligen Kriegen auf unserem Erdball, an die ich automatisch bei der Idee zu einem Requiem denken muß. Wichtig war für mich die Verbindung einer geistlichen Textebene mit der aus dem „realen”, irdischen Leben, muß sich doch Glaube immer als Dialog verstehen, der Beziehung schafft, ja sich doch nur in dieser auch als tragfähig erweist.

Musikalisch finden diese zwei Gedankenstränge natürlich auf den vielfältigsten strukturellen Ebenen eine Entsprechung: So hat das orchestrale Ensemble neben vielfältigsten musikalischen Abläufen kurze Worte und Wortkombinationen zu sprechen, zu flüstern und zu rufen, die die reale irdische Geschichte andeuten. Gesungen werden quasi als „ Echo” einige Worte aus der lateinischen Totenmesse.

Der Sänger und die Orgel mit den hier eigentlich kirchenmusikalisch ganz unüblicherweise eingesetzten drei Saxophonen stellen - auch räumlich auf der Empore vom Orchester separiert - den geistlichen Bereich mittels Musikalisierung der schon erwähnten Textausschnitte der lateinischen Totenmesse dar. Auch kommen neben dem gesungenen Wort geflüstertete und gesprochene Passagen vereinzelt vor, die wie das Singen des Instrumentalensembles, einen Bezug zueinander, einen Dialog miteinander andeuten wollen. Neben dieser akustischen Gegenüberstellung Empore / Kirchenschiff, sollen einzelne im Raum verteilte Instrumentalaktionen diesen musikalisch-akustisch erweitern.

Hinweisen möchte ich abschließend noch auf viele kleine im Stück mehr oder weniger versteckte Allusionen an die Sprachlichkeit der Vergangenheit, die dem Werk in gewissem Sinne auch eine historische Perspektive verleihen und durch kurze Andeutungen Anknüpfungen an das schaffen, was man allgemein mit „Tradition” bezeichnet.

»Zwanzig Schritte« –  ein Stück für das man Ruhe und Kontemplation braucht! Ein Stück, in das man hineintauchen muß! Ein Stück, bei dem man Stille und Geduld erfahren kann!

Werkkommentar (ausführlich)

Ein geistliches Werk zu schreiben, stellt meines Erachtens in der heutigen Zeit eine immer größer werdende Anforderung an einen Komponisten dar. Hinsichtlich der zunehmenden dramatischen Dichte und Kumulation im 20. Jh. ist der Glauben - und damit verbunden auch der Glaubenszweifel - ein immer stärker umfochtenes und kontrovers diskutiertes Themenfeld.

Ein geistliches Werk komponieren - also Musik in diesem Konnotationszusammenhang schreiben - kann nicht heißen, irgendeinen traditionellen, althergebrachten Text nehmen und ihn vertonen, wie es schon die Meister der vergangenen Jahrhunderte, die ja in gänzlich anderen soziologischen Strukturen gearbeitet haben, taten. Gerade in der heutigen Zeit, dessen Gedankengut vielfach immer noch im 19. Jh. wurzelt,  muß die Beziehung GOTT (Allumfassende Überirdische Macht) und MENSCH (Irdisches Individuum) immer wieder neu überdacht und stärker in Beziehung gebracht werden.

Einen für mich vorbildlichen Schritt tat schon Johannes Brahms bei der Planung und Verwirklichung seines »Deutschen Requiems«: Hier stellte sich der gebildete Künstler seinen eigenen Text zusammen und nahm nicht einfach „vorgefertigtes” liturgisches Textmaterial. Oder denken wir an Benjamin Britten mit seinem »War Requiem«, wo der lateinisch liturgische Text der Totenmesse mit Antikriegsgedichten von Wilfred Owen in Beziehung gesetzt worden ist.

Für meinen »Versuch eines Requiems« - ich nenne es Versuch, da in der zunehmenden Individualisierung jeder für sich seinen eigenen Lebensentwurf nur als Versuch ansehen kann; ein göttliches Einordnen in eine soziologische Struktur entspricht ja eigentlich nicht mehr unserem Bewußtseinsstand - habe ich nur Textausschnitte, Fragmente, ja nur einzelne Worte aus der lateinischen Totenmesse ausgewählt und „vertont”. Es sind dies aber fast nur Worte und Sinnzusammenhänge, die um ewige Ruhe, um Frieden, um Güte und Gnade bitten: Hoffnung entsteht doch nur in der Vorstellung eines Gottesbildes voller Milde und Barmherzigkeit. Diese Textschicht aus der „Missa pro defunctis” habe ich nun mit einer ganz realen aber dennoch möglicherweise fiktiven Geschichte konfrontiert: Ein unbekanntes Mädchen mit dem wunderschönen Namen »Mandragora« geht zu einem Brunnen, um Wasser zu holen und wird von einem Tieffliegerangriff oder von einem Scharfschützen »vom Himmel« getötet; eine von Millionen unbekannter Toter aus den unzähligen Kriegen auf unserem Erdball, an die ich automatisch bei der Idee zu einem Requiem und der Beschäftigung mit dieser Thematik denken muß. Wichtig war für mich die Verbindung einer geistlichen Textebene mit einer aus dem „realen”, irdischen Leben, muß sich doch Glaube immer auch als Dialog verstehen, der Beziehung schafft, ja sich doch nur in dieser als tragfähig erweist.

Musikalisch finden diese zwei Gedankenstränge natürlich auf den vielfältigsten strukturellen Ebenen eine Entsprechung: So hat das orchestrale Ensemble neben vielfältigsten musikalischen Abläufen kurze Worte und Wortkombinationen zu sprechen, zu flüstern und zu rufen, die die reale irdische Geschichte andeuten. Gesungen werden quasi als „Echo” einige Worte aus der lateinischen Totenmesse.

Der Sänger und die Orgel mit den hier eigentlich ganz unüblicherweise dazugesellten und eingesetzten drei Saxophonen stellen - auch räumlich auf einer Empore vom Orchester separiert - den geistlichen Bereich unter Musikalisierung der schon erwähnten Textausschnitte der lateinischen Totenmesse dar. Auch kommen neben dem gesungenen Wort geflüstertete und gesprochene Passagen vereinzelt vor, die wie das Singen des Instrumentalensembles, einen Bezug zueinander, einen Dialog miteinander andeuten wollen. Neben dieser akustischen Gegenüberstellung Empore/Kirchenschiff, sollen einzelne je nach örtlicher Begebenheit im Raum verteilte perkussive Instrumentalaktionen diesen musikalisch-akustisch erweitern.

Hinweisen möchte ich abschließend noch auf viele kleine im Stück mehr oder weniger versteckte Allusionen an die Sprachlichkeit der Vergangenheit, die dem Werk in gewissem Sinne auch eine historische Perspektive verleihen und durch kurze Andeutungen Anknüpfungen an das schaffen, was man allgemein mit „Tradition” bezeichnet.

»Zwanzig Schritte« – ein Stück, für das man Ruhe und Kontemplation braucht! Ein Stück, in das man hineintauchen muß! Ein Stück, bei dem man Stille und Geduld erfahren kann!


Ein möglicher Ansagetext - eine mögliche Konzerteinführung

»Zwanzig Schritte« sind es - ja, zwanzig Schritte sind es nur, die ein uns unbekanntes Mädchen mit dem wunderschönen Namen „Mandragora” zurücklegen muß, um Wasser von einem Brunnen zu holen. Auf diesem nur zwanzig Schritte langen Weg wird sie erschossen, wie viele unbekannte, namenlose Opfer der unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen auf dieser Welt. Eine fiktive Geschichte - vielleicht -, die aber beispielhaft sein möge für das menschliche Dasein und für das Ausgeliefertsein in solch grausamen Lebenssituationen, und eine Geschichte, die unser aller Ohnmacht dem gegenüber versinnbildlicht. Wir können nur zuschauen, beobachten und berichten und – mitleiden! Daran denkt man bei den Worten der lateinischen Totenmesse: »Requiem aeternam dona eis, Domine.« – »Herr, gib ihnen ewige Ruhe.«, die in dem nun zu hörenden Werk »Zwanzig Schritte«, Versuch eines Requiems, am Ende noch persönlicher fokussiert werden: »Dona ei requiem!« – also: »Gib ihr Ruhe!«

 

Mondspiegel

ein Nachtbild

Die Komposition »Mondspiegel«, ein Nachtbild, op. 55 ist 1999 als Auftragswerk des Musik-Informationszentrums der Niederlande entstanden. Es ist ein weiteres Stück eines mehrteiligen Zyklus von Nachtbildern, in denen in einem gemäßigten Schwierigkeitsgrad innovative und zeitgenössische Gestaltungselemente für das Genre des Sinfonischen Blasorchesters entwickelt werden. In allen der insgesamt fünf Nachtbildern erhalten von der menschlichen Stimme erzeugte „Äußerungen” in Form von individuellem oder kollektivem Singen, lautem und leisem Sprechen bis hin zum Flüstern eine besondere Bedeutung.

In dem Werk »Mondspiegel« wird neben einem über ein Mikrofon zu hörenden hinter der Bühne plazierten Sprecher ein Frauenchor mittels einer CD zu dem Orchesterklang hinzugespielt. Auch wie schon angedeutet ,werden in einem bestimmten Abschnitt die Orchestermitglieder einen vokal erzeugten Klangraum schaffen.

Das Werk, als letztes Stück des sich noch im Entstehen befindlichen Zyklus geplant, spiegelt Empfindungen einer mondklaren Nächtlichkeit, die durchaus von frischer und zuversichtlicher Helligkeit geprägt ist: Eine Naturempfindung, die sich romantischen Anklängen nicht verschließt und dem Nächtlichen auch Aspekte von Energiegewinnung und der Vorfreude und dem Erlebem des Endes der Dunkelheit imaginiert.


Wolkenstein-Lieder

Dieser Liederzyklus nach mittelalterlichen Texten und Melodien des Oswald von Wolkenstein besteht aus acht Sätzen: Vier improvisatorische Fantasien, drei auskomponierte Lieder und eine Erzählung, die vom Sänger gesprochen wird, verzahnen sich ineinander. Die vom Sänger erzählte Geschichte wird immer wieder untermalt oder unterbrochen von kleinen variationsartigen Musikstücken, die dem ganzen Teil einen unterhaltsamen und melodramatischen Charakter verleihen. Die Musik des Zyklus hat einen farbige und kammermusikalische Transparenz.

Das Werk entstand als Auftragwerk einer deutschen Stiftung (Werner Richard-Dr. Carl Dörken Stiftung) für das Dortmunder Musikfest und sollte gemeinsam mit der "Carmina Burana" von Carl Orff in einem Konzert aufgeführt werden. Da man meiner Meinung nach eigentlich nicht mit den gewaltigen dynamischen Kräften des Orffschen Meisterwerks "konkurrieren" kann (es sind ja bekanntermaßen in der Orchesterfassung ein großer Chor und eine ausgewachsene Instrumentalbesetzung eingesetzt) entschied ich, genau das Gegenteil zu tun, nämlich ein Stück zu komponieren, das für eine sehr kleine Orchestergruppe, besetzt mit jeweils doppelten Holz- und Blechbläsern und Schlagzeugensemble sowie einer Gitarre, einer Harfe und einem Cembalo, konzipiert ist. Es gibt in der Kombination mit dem Orffschen Werk  einen schönen, angenehmen Kontrast, und das Klangmassive wird an einem Konzertabend nicht überstrapaziert.

Ich habe extra darauf verzichtet, den Sänger als Tenor oder Bariton zu qualifizieren. Im Falle des Tenors sollte er über eine gute tiefe Lage und eine leichte Höhe verfügen. Ein Bariton wird mit der tieferen Lage keine Probleme haben, allerdings sollten die hohen Passagen in einem schönen "Falsett" dargestellt werden können. Auch kann durchaus an einigen ausgewählten und "extremen" Stellen über eine Oktavierung nachgedacht werden. Neben den klanglichen und balancespezifischen Überlegungen darf bei der Besetzung des "Oswald" eine gewisse "darstellerische" Komponente nicht außer Acht gelassen werden, soll doch gerade in der "Erzählung" die unterhaltsame Ansprache des Publikums im Mittelpunkt stehen. Der Zyklus kann auch in Ausschnitten aufgeführt werden; insbesondere ist eine Fassung ohne die Erzählung und die darauffolgende Fantasia 4 denkbar. Für die klangliche Realisierung könnte ich mir statt der Trompeten in B auch solche in C vorstellen - hierfür liegen dem Orchestermaterial die entsprechenden Stimmen alternativ bei.  

Die »Wolkenstein-Lieder« öffnen Räume für eine ausdrucksvolle Tiefe und stellen ein mittelalterliches Klangbild mit "modernen" Mitteln vor. Die Hörer werden mit schönen, unaufdringlichen Klängen in eine fremde Welt entführt.

 

Am Ende des Tages

Abendklänge

»Am Ende des Tages« – Abendklänge – also ein Notturno ? – eine Abendmusik oder Serenade ? – In gewisser Weise schon!

Die Wahl des Soloinstruments - Englischhorn - legt dies schon nahe. Es spielt in diesem Stück weich und melodisch in einem ruhigen Gestus; all das verbindet man ja mit diesem Instrument – und auch mit einer Abendmusik.

Aber dann – immer wieder bricht das Soloinstrument oder das Orchester, ja eigentlich das ganze Stück, aus dem Topos des Notturnos aus. Das Englischhorn wird „virtuos” - ungewöhnlich für dieses Instrument – es verhält sich „konzertant”. Aber nicht, um zu zeigen: „Ich kann auch schnell spielen!”, sondern - „gezwungenermaßen” - aus der musikalischen Anlage und Aussage heraus.

Denn: »Am Ende eines Tages« kann einem auch „Erschreckendes” durch den Kopf gehen; die Hektik unseres modernen Tagesablaufs läßt uns nicht los! Man kann sich möglicherweise „schlechten”, störenden Einflüssen gar nicht mehr entziehen. Das, was man heute „Abschalten” nennt, fällt immer schwerer. Man ist aufgewühlt und unruhig. So könnte man möglicherweise die schnellen Einschübe in dem ansonsten ruhig dahinfließendem Grundkonzept deuten bis hin zu einem „Allegro Albtraumatico”.

Also: Die „neuen” Abendklänge haben durchaus einen reagierenden Charakter auf unser Leben und aus unserem Leben heraus. So wird das betitelte Sujet - „Abendmusik” - durch Klanglichkeit, Harmonik, Instrumentation und formale Einbrüche immer wieder konterkariert: „Weg von der Idylle...” – beunruhigend!

 

Abendklänge

– ein Notturno?

»Abendklänge« – ein Notturno ? – also eine Abendmusik oder Serenade ? –  In gewisser Weise schon! Das Stück erklingt weich und melodisch in einem ruhigen Gestus; es hat Besinnlichkeit und Kontemplatives; mit einer Abendmusik verbindet man ja diese Merkmale.

Aber dann – immer wieder bricht das Orchester, ja eigentlich das ganze Stück, aus dem Topos des Notturnos aus. Die Faktur wird „virtuos” und „ruppig” – ungewöhnlich für dieses Genre? Aus der musikalischen Anlage und Aussage heraus entwickelt sich dies!

Und natürlich aus dem Gedanken und Erleben, daß heutzutage oftmals genau das mit uns Menschen passiert: Etwas geht einem durch den Kopf und läßt nicht los. Man kann sich möglicherweise „schlechten”, störenden Einflüssen gar nicht mehr entziehen. Das, was man heute „Abschalten” nennt, fällt immer schwerer. Man ist aufgewühlt und unruhig. So könnte man möglicherweise die schnellen Einschübe in dem ansonsten ruhig dahinfließenden Grundkonzept deuten - bis hin zu einem „Allegro Albtraumatico”.

Also: Die „neuen” Abendklänge haben durchaus einen reagierenden Charakter auf unser Leben und aus unserem Leben heraus. So wird das betitelte Sujet - „Abendmusik” - durch Klanglichkeit, Harmonik, Instrumentation und formale Einbrüche immer wieder konterkariert: „weg von der Idylle ...” – beunruhigend!

P.S.: Dieses Stück ist eine Version von »Am Ende des Tages«, wobei der Solopart des Englischhorns in den Orchestersatz mithineinverwoben ist.


»…bis ins Unendliche…«

eine sinfonische Annäherung

Das Leben eines Künstlers gestaltet sich seit Jahrhunderten mehr und mehr zu einem individuellen Abenteuer. Für diejenigen, die das Malerische, das Bildnerische zu ihrem Betätigungsfeld erwählt haben, geht nach Pablo Picassos Meinung dieses individuelle Abenteuer immer auf das eine zurück, das der Archetyp unserer Zeit ist: Das Abenteuer van Goghs – ein im wesentlichen einsames und tragisches Abenteuer.

In den Hunderten von Briefen, die Vincent van Gogh an seinen ihm in selbstloser Hilfsbereitschaft zugetanen Bruder Theo schrieb, läßt sich die nahezu lückenlose Biographie des Malers auf hohem literarischen Rang verfolgen. Doch nicht nur die äußeren Lebensumstände Vincents sind dort beschrieben, sondern auch die Beweg- und Hintergründe seines schöpferischen Tuns. Vincent gibt sich und seinem Bruder quasi Rechenschaft über sein künstlerisches Schaffen als Maler.

Beeindruckend, beglückend und erschütternd zugleich ist die Lektüre dieser Texte, erfahren wir doch in einer Vielfalt von Aspekten das Exemplarische dieses Künstlerschicksals, Vincents Einstellungen zu diversen Phänomenen wie Liebe, Religion und Tod und vieles mehr. Natürlich nimmt auch des Malers Denksystem einen breiten Raum ein und läßt den Leser tief in das Typische der van Goghschen Ästhetik eindringen.

So intensiv die bildnerische Ausdruckskraft van Goghs ist, die sprachliche steht dieser kaum nach. Immer sind die Aussagen Vincents ehrlich, aufrichtig und wahrhaftig und spiegeln das Leben eines Menschen wider, der von seiner Aufgabe besessen war und bis zu einem tragischen Ende seinen Weg gegangen ist.

Solange ich mich künstlerisch zu betätigen versuche, begleitet mich das Schaffen van Goghs, und die 10. Internationale WASBE-Konferenz 2001 in Luzern mit dem Motto „Arts” war für mich ein Initial, mich endlich mit einem musikalischen Werk Vincent van Gogh anzunähern. »... bis ins Unendliche ...« habe ich das Stück genannt, und es thematisiert damit genau das, was meines Erachtens etwas Zentrales für Vincents Leben und Schaffen war, für einen Maler, der gesagt hat, daß er „lieber die Augen von Menschen male als Kathedralen, weil in den Augen die Seele wohne”, einem Maler, der „in den Augen eines kleinen Kindes die Unendlichkeit zu sehen meinte”, und für den „die Hoffnung in den Sternen”, in der Unendlichkeit des tiefazurblauen, nächtlichen Sternenhimmels zu finden sei. Die unendlich ausgestreckte Weite der Landschaftlichkeit seiner Bilder und das gleichzeitige Darinaufgehen seiner selbst als individuellen Punkt, als „Staubkorn”, wie er schreibt, in der geheimnisvollen Göttlichkeit der Schöpfung, umreißen das breite Spektrum, das seine Malerei einzufangen und wiederzugeben versucht. Vincent ist ein Maler, der sich „in der Arbeit vergessen” kann und muß und den „in manchen Augenblicken eine schreckliche Klarheit überkommt, wenn die Natur so schön ist.” Dann fühle er sich selber gar nicht mehr „und die Bilder kommen wie im Traum.”

„Im Malen ist etwas Unendliches” sagt er, und „in den Farben sind verborgene Dinge von Harmonie oder Kontrast, Dinge, die durch sich selber wirken, und die man durch kein anderes Medium ausdrücken kann.” Und genau dies denke ich auch über Musik: „Im Klang ist etwas Unendliches”, sage ich, und „in den Tönen und Harmonien sind ebenfalls verborgene Dinge, die durch sich selber wirken, und die man durch kein anderes Medium ausdrücken kann.”

So trifft mich Vincent immer tief in meiner Seele und gibt mir Zuversicht und Inspiration für dieses Stück, für mein Leben und für meine Arbeit. Was kann es Besseres geben? – So leben wir weiter und treffen uns möglicherweise - hoffentlich! - IM UNENDLICHEN...

 

WORLD–WHY–DIE II ?

Gedenkminuten

Die Idee zu diesem Stück entstand unmittelbar unter dem Eindruck der Katastrophe. Schon in der ersten Nacht danach verfolgten mich immer wieder die Schreckensbilder. Denn immer wieder sah man diese im Fernsehen. Immer die gleichen Bilder. Und immer wieder war man schockiert, fassungslos, kraftlos, matt, niedergeschlagen . . .    Das Ereignis ließ einen nicht los. Die permanent sich wiederholende Konfrontation damit hatte etwas Zermürbendes. Man konnte sich diesen Eindrücken gar nicht entziehen. So entstand das Stück wirklich als eine Form der persönlichen Bewältigung, der seelischen Arbeit mit diesem apokalyptischen Szenario.

Was kann man da aber für eine Musik schreiben? Eigentlich nur eine Art von "Unmusik", also Musik ohne "Leben", ohne die vitale Grammatik eines künstlerischen Organismus, eine Musik in immer gleichem Rhythmus, mit immer gleichem unabänderlichen Pulsschlag, eine Musik, der ein immer gleiches Klangprinzip zugrunde liegt, eine Musik mit immer gleichem Strukturprinzip.

Die Quartparallelen-Harmonik, Anleihen der mittelalterlichen Organumtechnik, versinnbildlichen harmonisch-strukturell in ihrer recht starren Anwendung ebengenannte Gedanken. Ein langer Nachhall des Aufführungsortes ist mitgedacht, mitgehört. Eine Akustik ist gewünscht, die den Klang trägt, die den Klang sich entwickeln läßt, so wie eben auch die Musik der Organa dieser Akustik bedarf. Es ist dies die Akustik von großen Kathedralen. Auch das World Trade Center war ja in einer speziellen modernistischen Art und Weise auch so etwas wie eine Kathedrale. Hier kamen viele Menschen zusammen, um Gemeinsames zu tun - und sei es auch, um  nur der "Ersatzreligion Wirtschaft" zu huldigen.

In meinem Stück versuche ich auch, einen solchen kathedralartigen Klangraum zu schaffen. Auch hier verharren die Klänge über einen längeren Zeitraum und klingen nach. Dieser Klangraum ist, wie schon erwähnt, streng organisiert, streng strukturiert. Er wirkt statuarisch fest aufgrund seiner starren Konstruktion. Klangtürme "knirschen" hier aneinander vorbei; man könnte also von einer "zerknirschten" Harmonik sprechen. Aber – entsteht dabei nicht auf einmal ein Klangraum meditativer Ruhe und Stabilität, ein Klangraum, ja ein Gedankenraum, der uns alle umgeben und schützen kann, während wir frei unseren Gedanken, unseren Eindrücken nachsinnen? Ein Choral – um Frieden bittend – erscheint in abwartender, geduldiger Ruhe. Alles Drängen wird sinnlos angesichts der Zäsur unserer uns umgebenden "neuen" Realität.

Die Arbeit an dieser durchaus ganz besonders "biographischen" oder "zeitbezogenen" Komposition – wodurch auch ein gewisser struktureller Stil des Fragmentarischen einhergehen könnte – erstreckte sich vom 12. bis zum 30. September.

 

Open Up !

Mit Open Up ! eröffnete sich für mich ein neues Betätigungsfeld: In einer neuen Edition erscheinen Werke für Jugendblasorchester im Anfänger- und Fortgeschrittenenbereich. So ist Open Up ! eine dynamische Komposition, die sich sehr gut eignet als konzertantes Eröffnungsstück. Eine große melodische Linie - die immer wieder in von anderen Orchestergruppierungen vorgetragen wird - und einige rhythmisch-signalartige Kontrapunkte ergeben ein Stück voll von Energie.

 

A little Walk in the Garden

Inspiriert für diese kleine Komposition wurde ich durch die Kurzgeschichte "The Japanese Quince" von John Galsworthy, in welcher ein bezaubernder Garten eine bedeutende Rolle spielt. Eine nette Melodie, die aus den ersten Tönen mit denen Anfänger ihr Blasinstrument beginnen, gebildet ist, "singt" begleitet von feinen Harmonien. Das Stück besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen, die immer wieder abwechselnd auftreten. In der letzten Phase der Komposition bereichert ein kurzer, kontrapunktisch angereicherter Abschnitt die musikalische Struktur: Das Kopfmotiv der Hauptmelodie erscheint imitatorisch in verschiedenen Stimmen. Auf diese Weise erhält zum Beispiel der Dirigent auch weitergehende Möglichkeiten, strukturelle Elemente in der Musik zu erläutern.  

 

An Old French Sailor’s Tale

Dieses Stück basiert auf einem alten französischen Volkslied, das mehrere Male mit verschiedener Harmonisierung und abwechslungsreicher Orchestrierung erscheint. Auch finden die Musiker einige interessante kontrapunktische Satzstrukturen vor. Mit dem leisen Ende führt die Musik in die Ferne.

 

Shepherds’ Procession

Die Komposition Shepherds' Procession (Hirtenzug) beschreibt eine pastorale Szene - mit Hirtenrufen zu Beginn -, die musikalisch illustriert ist als ein Dialog zwischen zwei Orchestergruppen als Einleitung und dem darauffolgenden fließenden Hauptteil in einem 6/4 Takt. Das Stück reflektiert die Atmosphäre der Weihnachtszeit, und ein Adents- oder Weihnachtskonzert könnte eine passende Gelegenheit sein, das Werk aufzuführen.


Ferne Weite

ein Landschaftsbild

Das Werk entstand als Auftragskomposition für das Jugendorchester des Blasmusikverbandes Vorspessart und sollte geeignet sein, als Wettbewerbsstück verwendet zu werden. Ein erster Teil mit weitgeschwungener melodischer Entwicklung, die sich von zartem Klarinettenbeginn bis zu einem Höhepunkt in voller Orchestrierung steigert, ließ mich an einen Blick über eine weite Landschaft denken. Allerdings steht der Titel des Stückes nicht für eine bestimmte Landschaft, sondern für jedwede mit weitem Horizont; welche - das mag der Hörer selbst assoziieren. Das melodisch-gesangliche, choralhafte Thema des ersten Teils entschwindet nach besagtem Höhepunkt leise in den tiefen Flöten und noch weiter entfernt im Solo des Glockenspiels. Ein dramatisch, rhythmisch beschwingter Teil schließt sich an, dessen thematisches Material aus dem ersten Teil erwächst und durch die verschiedenen Stimmen bis hin zu einem fugierten Abschnitt durchgeführt wird. Eine Reminiszenz des melodischen Anfangsteils erklingt kurz vor Ende, bevor eine drängende Coda das vitale Werk beschließt.

 

STORM

Nature's Retribution

In diesem Werk denkt der Komponist an horrende Stürme und Naturkatastrophen - wie zum Beispiel den Wirbelsturm "Kathrina" im Jahre 2003 in den U.S.A. - als eine Antwort oder gar Vergeltung der Natur auf den Missbrauch der Umwelt durch die Menschheit. So handelt das Werk von Stürmen und ihren destruktiven Folgen für die Bevölkerung. Vielleicht versucht die Natur uns ja zu warnen,  damit wir unser unverantwortliches Verhalten beenden? Am Schluss des Werkes erklingt ein choralartiger Teil, der den Menschen Mut machen soll, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufzugeben.

 

Out of Nowhere

Aus dem Nirgendwo kamen die Götter auf die Erde, so auch die Túatha dé Danaan, die „Herren des Lichts“, eines der Göttervölker der altirischen Mythologie.

Sie kamen aus dem Himmel – erschienen aus der Luft – kamen „irgendwie“ auf die irische Erde – und warfen für drei Tage Dunkelheit über die Sonne. Sie vertrieben die dort lebenden Völker und herrschten lange über Irland.

Jahrhunderte später wurden die Túatha Dé Danaan selbst Opfer von Eroberung und Vertreibung. Sie wurden nach langen Kämpfen von den nun einwandernden ‚Milesiern’ besiegt. Das Göttervolk zog sich in die Welt des Jenseits – in die sogenannte Sidhe, ein Reich, dessen Eingänge (hohle Hügel) natürliche Merkmale der Landschaft und alte Grabhügel sind,  zurück – und waren danach bekannt als die sogenannten Aes Sidhe (das Hügelvolk), die als die originalen irischen Feen Irlands oder die „Bewohner des Jenseitslandes“ angesehen wurden.

Sie verschwanden so geheimnisvoll wie sie gekommen waren, herrschten aber weiterhin aus dem Jenseits. Ein Zaubernebel verbarg sie vor den Augen der Sterblichen.